„Es ist wichtig, nicht die Hoffnung zu verlieren!“
Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 7.000 Frauen an Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom). Damit tritt die Erkrankung deutlich seltener auf als Brustkrebs mit rund 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr. Da Eierstockkrebs aber häufig erst erkannt wird, wenn die Krankheit schon weit fortgeschritten ist, sind die Heilungschancen dann eher gering. Auch bei Christina Andrae hatte sich der Krebs bereits von den Eierstöcken in den Bauchraum verteilt. Während zweier komplexer Eingriffe im Gynäkologischen Krebszentrum am UKM arbeiteten die Spezialistinnen und Spezialisten gleich mehrerer Fachbereiche eng zusammen, um alle bösartigen Veränderungen zu entfernen. Nach Chemo- und anschließender Erhaltungstherapie im Rahmen einer innovativen Studie geht es der 59-Jährigen heute wieder gut.
Münster (ukm/lie). Die Diagnose „Eierstockkrebs“ kam unerwartet. Trotzdem warf sie Christina Andrae nicht völlig aus der Bahn: „Es erkranken so viele Menschen an Krebs. Warum sollte es nicht auch mich treffen?“ Vor gut einem Jahr ging die heute 59-Jährige aus Lippstadt wegen einer leichten Blutung zur befreundeten Gynäkologin. „Ich dachte, ich hätte eine Blasenentzündung“, erzählt Andrae, die als Angestellte in einer Immobilienfirma arbeitet und „nebenher“ einen Pferdezuchtbetrieb führt. Die Ärztin nahm eine Probe von einer auffälligen Stelle am Gebärmutterhals und schickte ihre Freundin für weitere Untersuchungen zu den Spezialistinnen und Spezialisten des Gynäkologischen Krebszentrums des WTZ (Westdeutsches Tumorzentrum) Münster am UKM (Universitätsklinikum Münster). „Ich hatte Angst, dass ich sterbe“, blickt die Lippstädterin auf diese schwierige Zeit zurück und war dankbar, dass sie sich bereits zwei Tage später in Münster vorstellen konnte: „Ich habe mich direkt gut aufgehoben gefühlt und konnte alle Fragen stellen.“
„Wir haben hier in der Gynäkologie für solche Verdachtsdiagnosen extra Notfalltermine etabliert“, sagt Prof. Lars Hanker, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am UKM. „Die Herausforderung bei Eierstockkrebs ist,“ so der Experte weiter, „dass über einen langen Zeitraum keine, oder nur sehr unspezifische Symptome wie zum Beispiel Bauchschmerzen, Blähungen, Verdauungsprobleme, häufiger Harndrang und Gewichtszunahme auftreten.“ Zu einer Blutung wie bei Christina Andrae komme es eher selten. Daher werde diese Erkrankung häufig erst diagnostiziert, wenn sie schon weit fortgeschritten ist. „Die Tumoren können so groß wie ein Fußball werden“, erzählt der Gynäkologe. Zudem gebe es leider keine etablierten Früherkennungsmaßnahmen wie zum Beispiel spezielle Tumormarker, auf die man das Blut untersuchen könnte. Selbst im Ultraschall seien die Veränderungen an den Eierstöcken häufig zunächst nicht sichtbar. „Das war auch bei Frau Andrae so“, sagt Hanker. Daher wurden bei einer ersten Operation zunächst der befallene Gebärmutterhals ins Visier genommen. Doch während des Eingriffs fielen den Chirurgen mehrere stark vergrößerte Lymphknoten auf. Schnell war klar, dass der Krebs ursprünglich von den Eierstöcken ausging, und sich nicht nur am Gebärmutterhals Metastasen befanden. Während einer zweiten großen, offenen OP suchten die Chirurgen den gesamten Bauchraum ab. „Bei Eierstockkrebs breiten sich die Tumoren häufig streuselkuchenartig aus und können sich in Form kleiner Knoten an andere Organe heften. Das macht die Behandlung so herausfordernd“, betont Prof. Hanker. Daher sei es wichtig, dass dabei die verschiedenen Fachdisziplinen eng zusammenarbeiten und ihre jeweilige Expertise für die betroffenen Bereiche einbringen. „Man muss alle Knoten entfernen, um die besten Heilungschancen zu haben“, so der Mediziner weiter.
Bei Christina Andrae verlief die OP erfolgreich – sie ist seitdem tumorfrei. Nach einer Chemotherapie erhält sie nun eine sogenannte Erhaltungstherapie im Rahmen der „AGO-OVAR 28“-Studie. „Dabei wird untersucht, ob die Kombination zweier Wirkstoffe, die gezielt das Tumorwachstum hemmen sollen, wirksamer und verträglicher ist als bisherige Standardtherapien“, erklärt Hanker, der langjähriges Vorstandsmitglied der AGO (Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie)-Studiengruppe ist. Ziel der Studie sei, die Prognosen und die Lebensqualität der Patientinnen auch langfristig zu verbessern. „Es hat sich in den letzten Jahren viel bei der Behandlung des Eierstockkrebses getan“, verweist er auf die vielversprechenden Entwicklungen dank neuer Wirkstoffe und hochmoderner Operationsverfahren. „Wir können den Patientinnen im zertifizierten Gynäkologischen Krebszentrum und – wenn bestimmte Genmutationen vorliegen – im ebenfalls zertifizierten Zentrum für familiären Brust- und Eierstockkrebs am UKM Zugang zu nationalen und internationalen Studien anbieten“, so der Experte für Gynäkologische Onkologie. Dies ermögliche häufig auch dann noch zusätzliche Behandlungsoptionen, wenn die Standardtherapien ausgeschöpft sind.
„Ich fühle mich inzwischen schon wieder ganz gut und muss mich nur noch etwas erholen“, ist Christina Andrae erleichtert. „Ich bin auch während der Zeit zwischendurch geritten – natürlich war ich vorsichtig und habe mir nicht das verrückteste Pferd rausgesucht“, erzählt sie augenzwinkernd. Sie ist dankbar für die Unterstützung durch ihren Lebenspartner und auch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte, die Pflegenden und auch das psychoonkologische Angebot im Zentrum. „Das Vertrauen in die Medizin hat mir Sicherheit gegeben. Es ist wichtig, nicht die Hoffnung zu verlieren!“
Bild (UKM/Wibberg): „Ich bin unendlich dankbar“, sagt Christina Andrae (r.), die sich von Prof. Lars Hanker und seinem Team gut betreut fühlt.
Informieren und Austauschen
Die Selbsthilfegruppe „Eierstockkrebs Münsterland“ trifft sich jeden 4. Mittwoch im Monat von 15 bis 17 Uhr im Schulungsraum „Theater“ des WTZ Münster am UKM (Ebene 03 Ost, Raum 003.092). Die Teilnahme ist auch per ZOOM möglich!
Weitere Informationen und Kontakt: Selbsthilfegruppen und Beratungsangebote | UKM